Freitag, 29. November 2013

ROWDY






Da denkt man an nichts Nervendes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem ROWDY prangt.

Tagtäglich erlebt man den Straßenmusikantenstadl in der Hauptstadt. Auf den Wegen und in den Fußgängerzonen kann man ihn ja noch umgehen, aber in der U- oder S-Bahn ist man ihm zwangsläufig ausgeliefert. Zumindest für eine Station. Und das kann für den vermeintlichen Zuhörer schon zu lange dauern, wie ich letztens als Augenzeuge beobachten durfte.

Denn wie jeden Tag stiegen die drei Musikanten – bewaffnet mit zwei Trompeten, Akkordeon und Rekorder plus Lautsprecher – in die Bahn und intonierten wie gehabt „Hit the Road Jack“ von Ray Charles. Das einzige Lied, das sie nicht können – dafür spielen sie zu schlecht und zu schräg –, sondern das sie abspielen.

Die Abspieler betraten also die S-Bahn und jeder der mitfahrenden Gäste wusste, was ihn erwartete, wenn sich die Türen schließen. Doch bevor der Rekorderdrücker die Taste betätigte, brüllte ein Passagier den Dreien lautstark entgegen:

„Hört auf! Heute kein verdammtes Ein-Minuten-Konzert!“

Für einen Augenblick herrschte absolute Ruhe, bis einer der drei Musikanten schließlich mit rollendem ‚R’ konterte:

ROWDY, du!“

Sie öffneten nochmals die verschlossenen Türen, verdufteten und streckten bestimmte Finger in die Höhe.

An diesem Tag blieb einem der Ohrwurm erspart. Ist doch auch mal was.

So viel Nervendes zu ROWDY.




Dienstag, 26. November 2013

GEL






Da denkt man an nichts Schmieriges, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem GEL prangt.

Und schon treibt es mich wieder in die niedersächsische Pampa (siehe HASEN, SKA, BOB, DAD, BO und BARRY). Als junger Teenager hatte ich hauptsächlich Fußball und Flausen im Kopf. Aufm Kopf gab es weder Mutproben noch Überraschungen – bis auf meine ausrasierte Geheimratsecke.

Es war die Zeit vor Haarcremes, Haarwasser, Haarwachs, Zuckerwasser und Vaseline. Doch eines Morgens machte ich Bekanntschaft mit einer Tube, die auf unserem Badewannenrand stand. Dachte, es wäre ein neues Shampoo mit einer neuartigen Konsistenz. Falsch gedacht. Nach dem Duschen kamen mir die Haare so schwer, glänzend und klebrig vor.

Da ich schon seit jeher eine Aversion gegen Haartrockner (Föhn und Fön) habe und meinen Pelz an der Luft trockne, merkte ich zunächst nicht, dass der Zustand sich auch nicht ändert.

Bis ich in der Schule antanzte. Die Blicke der Mitschüler trafen mich wie kleine Giftpfeile und stempelten mich zur Lachnummer des Tages.

Lachend ging es auch zu Hause weiter. Meine Mutter sagte amüsiert, dass es ihr HaarGEL sei und wie viel man davon ins – eigentlich trockene – Haar gibt, um es zu stylen.

So viel Schmieriges zu GEL.





Samstag, 23. November 2013

FKK






Da denkt man an nichts Blankes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem FKK prangt.

Während meiner Text-Praktika-Tournee durch diverse HHer Werbeagenturen (siehe LUI) lernte ich undankbare Jobs, merkwürdige Kunden und interessante Kollegen kennen.

Eine Kollegin lud an einem Samstag das gesamte Kreationsteam einer Agentur zu sich aufs Land ein – zum Grillen und Fußballgucken. Denn es lief zu der Zeit eine Fußball-Weltmeisterschaft.

Sie war Anfang 20 und wohnte noch bei den Eltern. Ihr Vater war Maurer und hatte sich seinen Traum erfüllt und sein eigenes Häuschen im HHer Speckgürtel gebaut. Häuschen ist noch untertrieben. Es hatte wohl an die 200 qm Wohnfläche und ein imposantes Grundstück inklusive Pool. Das Domizil beinhaltete eine Souterrainwohnung, indem sich die Kollegin ausbreitete und vergnügte.

Ihre Eltern bewirteten und unterhielten die neun Kollegen, die der Einladung folgten, und zeigten ihnen das gesamte Territorium. Der Vater schmiss den Grill an, die Mutter schleppte Getränke und Snacks an. Wir genossen den Garten, das Idyll und die Ruhe vor dem Spiel.

Doch damit war es schlagartig vorbei. Als der Vater sich mit der Grillkohle eingestaubt hatte, zog er plötzlich blank, rannte wie ein aufgescheuchtes Huhn quer durch den Garten und sprang mit einer Arschbombe in den Pool.

Es war ein Bild für die Götter. Ein älterer Mann mit Plauze, Haarkranz und Gesichtsfotze flitzte splitterfasernackt durch die Walachei und plumpste ins kühle Nass.

Die Kollegin meinte nur mit einem Achselzucken:

„Meine Eltern lieben FKK!“

Ihre Mutter konnte sich an diesem Nachmittag beherrschen. Ihr Vater trug indes nur ein kurzärmeliges, kariertes Hemd. Sonst nichts.

Zum Spiel: Deutschland gewann die Auftaktpartie, bekleckerte sich aber nicht mit Ruhm – das ganze Turnier über.

So viel Blankes zu FKK.




Mittwoch, 20. November 2013

MAZ






Da denkt man an nichts Offenbarendes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem MAZ prangt.

Während meiner Zeit in einer Berliner Werbeagentur (siehe WITZ, WAS, PLI, PEN, CHOO, HIP, OHOH und NIP) teilte ich mir ein Büro mit einem seniorigen AD. Fürs Berufsleben perfekt. Man kann sich leicht die Bälle hin- und herspielen und Ideen weiterspinnen. Fürs Privatleben nicht immer so perfekt. Man bekommt halt alles mit, was im Leben des anderen so läuft. Und wenn derjenige auch noch extrem mitteilungsbedürftig ist, kommt man nicht umhin, es aufzusaugen.

Eines Tages meldete sich besagter Kollege bei einer Online-Dating-Plattform an. Und das änderte schlagartig alles. Dass er und eben auch ich kaum zum Arbeiten kamen, steht außer Frage. Er datete fast täglich ein neues Herzblatt und lud es zum Essen und mehr ein. Nach einem Monat hätte er schon einen Restaurantführer schreiben können – so viele Lokalitäten und Nationalitäten lernte er kennen.

Näher kennenlernen wollte er auch die Inhaberin einer Eventagentur. Er beschrieb sie als brünetten Barbara-Schöneberger-Klon, die nicht mit ihren Reizen geizte. Mit großer, unterhaltsamer Klappe und ausladendem Dekolleté in einem knapp bemessenen Wickelkleid.

Sie gingen zum Syrer und bestellten das MAZza-Menü – bestehend aus fünf Gängen. Zig Schälchen mit kleinen Köstlichkeiten und exzellente Weine brachten das Date scheinbar in Schwung. Mit zunehmendem Alkoholpegel wurden die Gespräche angeregter und die Dame offenherziger. Sie erzählte von ihrer Herz-OP und präsentierte die Narbe, hinter der sich ihr Herzschrittmacher versteckte.

Nicht verstecken wollte sie wohl ihre linke Brust, die sie meinem Kollegen plötzlich darbot, der glatt vom Kissen rutschte und sich das Kinn am Tisch aufschlug – wie er mir unter die Nase rieb.

Im angeschickerten Zustand musste er das Date schlagartig verlassen, das nächste Krankenhaus aufsuchen, um das suppende Kinn flicken zu lassen.

Auch an diesem Abend kam er zu seinem Stich. Denn das Kinn wurde mit vier Stichen genäht.

So viel Offenbarendes zu MAZ.




Sonntag, 17. November 2013

HOCH






Da denkt man an nichts Lyrisches, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem HOCH prangt.

Plumpst mir unweigerlich ein Statement von Deutschlands Edelfeder Robert Gernhardt in den Schoß:

„Den fünf Genres Horror, Porno, Melodram, Spannung und Komik entsprechen fünf Körperausscheidungen: Erbrochenes, Sperma, Tränen, Schweiß und Urin.

Und jedes Genre will eine dieser Ausscheidungen herbeiführen: Das Melodram will Tränen, der Porno Sperma, der Horror das Erbrechen, die Spannung den Schweißausbruch. Die Komik will zweierlei: Entweder soll sich der Mensch vor Lachen bepissen oder Tränen lachen.

Das ist der Unterschied zur HOCHkunst: Alle fünf Genres wollen den Konsumenten eindeutig außer Gefecht setzen.“

So viel Lyrisches zu HOCH.




Donnerstag, 14. November 2013

BUD






Da denkt man an nichts Perlendes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem BUD prangt.

Und schon werden zahlreiche Mittagessen mit Werberkollegen im ehemaligen HHer Jena Paradies aus dem Gedächtnis abgerufen.

Wir bestellten meist Schnitzel Wiener Art mit Kartoffel- und Gurkensalat. Ein senioriger Texter brauchte mal eine Auszeit vom Fleisch und nahm mittags eine Zeit lang nur Flüssiges zu sich – in Form von drei BUDweiser.

Da fallen mir glatt zwei großartige Budweiser-Kampagnen ein – Frösche und Wassup.

So viel Perlendes zu BUD.




Montag, 11. November 2013

LAK






Da denkt man an nichts Flitzendes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem LAK prangt.

Wie schon gebeichtet, war ich mal für Deutschlands größte Werbeagentur textlich aktiv (siehe BI, BRAIN und ENG). Es gab drei Units. Doch obwohl genügend Männer und Frauen an Bord waren, musste man hier und da aushelfen. Meist bei Neugeschäftsgeschichten.

Jede Unit machte sich auf einem anderen Stockwerk breit. Und jede Unit hatte sein eigenes Entertainmentprogramm in der Küche. Ein Team hatte einen Kicker, ein anderes einen Flipper und das dritte Team eine Sofalandschaft. Jeden Freitag gab es ab 15 Uhr eine sogenannte Happy Hour in der Küche. Happy Hour hieß übrigens open end. Gastgeber war stets eine der drei Units, die das Thema und somit die Speisen vorgab.

Einmal musste ich bei einer Unit ran, die eine bekannte Margarine betreute. Sie brauchten neue Filme und kamen nicht weiter. Das Team – allen voran die Beraterin – standen ziemlich unter Strom und verstanden es, den Druck vom Kunden eins zu eins intern weiterzugeben. Die beiden Innenkontakterinnen, die ihr nicht von der Seite wichen, wurden ein ums andere Mal zusammengefaltet. Das hatte schon Fremdschämpotenzial.

Kurz vor einem Schulterblick-Termin beim Kunden forderte sie von ihren Lakaien einen Kaffee. Aber bloß keinen aus der Agenturküche. Eine Innenkontakterin spurtete zum Deli im Nachbarhaus und besorgte einen Coffee to go. Und der hatte es in sich. Kurz nach dessen Genuss flitzte die Beraterin schnurstracks in die Nasszelle und war für ein Hanseviertelstündchen nicht mehr zu sehen. Aber wohl zu hören. Das Meeting beim Kunden konnte sie knicken.

Was ihre Assistentin in all dem Trubel und der Hektik vergaß: Die Beraterin litt unter LAKtoseintoleranz. Dies hatte zur Folge, dass die Milch, die im Kaffee – man vermutete einen Latte macchiato – schlummerte, prompt durch ihren Körper durchgereicht und zu einer spontanen wie flüssigen Sitzung wurde.

Im Nachhinein könnte die Szene durchaus als Remake von „Die Waffen der Frauen“ von Mike Nichols mit Melanie Griffith, Sigourney Weaver und Harrison Ford herhalten.

So viel Flitzendes zu LAK.




Freitag, 8. November 2013

DIE






Da denkt man an nichts Letales, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem DIE prangt.

Wie schon mal durchexerziert, hatte ich das Vergnügen, weder mit Internet noch mit E-Mail in der Werbung Fuß zu fassen (siehe BRAIN).

Um sich bei potenziellen Kunden Gehör zu verschaffen oder ins Gespräch zu kommen, wurden verschiedenste Agenturdarstellungen produziert und verschickt. Die Klassiker waren Flyer, Booklets und gebundene Bücher. Oder eine Kombination aus Flyer plus Sachbuch (siehe BEN).

Wer etwas auf sich hielt und die eigene Mannschaft bauchpinseln wollte, gab zusätzlich noch ein Mitarbeiter-Leaflet heraus. So auch Scholz & Friends.

Einen kleinen Schönheitsfehler hatte die ganze Geschichte. Der Titel des Heftchens schmückte eine verwirrende Headline:

DIE Friends.“

Nicht so schön, wenn man bedenkt, dass ‚die’ im Englischen eine tödliche Bedeutung hat. Noch unschöner, wenn man bedenkt, wie viele Leute wohl drübergeguckt haben, bevor das Leaflet gedruckt wurde. Irre, aber ‚shit happens’.

So viel Letales zu DIE.




Dienstag, 5. November 2013

KUSS






Da denkt man an nichts Zartes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem KUSS prangt.

Bringt mal wieder ein Zitat an die frische Luft. Und zwar von der schwedischen Leinwandheldin und dreifachen Oscar-Preisträgerin Ingrid Bergman:

„Ein KUSS ist ein liebenswerter Trick der Natur, ein Gespräch zu unterbrechen, wenn Worte überflüssig werden.“

Ohne Worte.

So viel Zartes zu KUSS.




Samstag, 2. November 2013

OMA






Da denkt man an nichts Fleckiges, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem OMA prangt.

Wie schon mal unter die Leute gebracht, verbrachte ich meine Kindheit in West-Berlin (siehe PIROL, BMG, TROY, REHE und EIS). In den Sommerferien machten wir einen Abstecher zu den Großeltern mütterlicherseits (siehe EIS). Dafür mussten wir in den Osterferien meistens die Großeltern väterlicherseits in einem niedersächsischen Nest besuchen.

Besuchen hieß natürlich auch übernachten. Meine Eltern nahmen ein großes Schlafsofa und meine Schwester die Couch im Wohnzimmer in Beschlag. Als Kleinster hatte ich das Privileg und auch das Vergnügen, mich nächtens in der Besucherritze des Bettes meiner Großeltern auszutoben. Sie nahmen mich quasi in die Flügelzange.

Sehr zum Leidwesen meiner OMA, die allmorgendlich am Frühstückstisch eben ihr Leid klagte und auf die blauen Flecken an ihren Beinen deutete. Okay, ich hab als Kind gern und viel Fußball gespielt. Aber die Träume zum Leben erweckt? Ich weiß nicht.

Komisch, dass sich mein Opa nie beschwert hat. Schließlich war ich ja beidfüßig unterwegs.

Oder war ich als Kind einfach nur ein unruhiger Schläfer? Heute bin ich Soldat. Oder Königsschläfer, wie es so schön heißt.

So viel Fleckiges zu OMA.