Sonntag, 31. März 2013

HASEN






Da denkt man an nichts Süßes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem HASEN prangt.

Meine Pubertät durchlebte ich leider nicht in West-Berlin, sondern in einer niedersächsischen Kleinstadt (siehe PIROL). Dort angekommen konnte ich nur ordentlich berlinern und überdurchschnittlich gut Fußball spielen.

Um Letzteres zu fordern und zu fördern durfte ich neben dem Verein – MTV Treubund Lüneburg 1848 e.V. – auch für die Kreisauswahl auflaufen, das heißt für den Landkreis Lüneburg meine Knochen hinhalten. Der Vollständigkeit halber: Nach der Kreisauswahl folgt die Bezirksauswahl, dann die Niedersachsenauswahl und schließlich die Jugend-Nationalmannschaft.

Nach einem Oster-Turnier mit besagter Kreisauswahl kamen ein paar Schulkameraden auf mich zu und luden mich zum HASENgucken ein. Dachte, na wunderbar, wo biste hier gelandet? Nicht nur in der Provinz, jetzt auch noch im Kleintierverein. Die Uhren tickten auf dem Lande ein bisschen anders, wie mir schien.

Mit einem Fußball-Kumpel und noch im Trainingsanzug folgten wir den Jungs auf unseren Rädern. Das Ziel war aber keine Kleingartenkolonie, eher eine Villengegend. Genauer gesagt: ein ziemlich großer Bungalow. Ein älterer Mann, wie sich später rausstellte der Großvater eines Freundes, öffnete uns die Tür und ließ uns sechs Halbwüchsige hinein. Wir gingen in den Keller hinunter, in einen dunklen Raum und setzten uns auf eine Sofalandschaft. Von Hasen keine Spur.

Plötzlich nahm ein Super-8-Filmprojektor Fahrt auf und zeigte uns Hasen in Originalgröße – die Hasen von Russ Meyer. Zu „Drüber, drunter und drauf“ ließen wir die Hosen runter, kein Problem, wir hatten ja schließlich unsere Schnellfickerhosen an. Nach wenigen Minuten, die uns wie Sekunden vorkamen (oder war es umgekehrt?), kam es zum unweigerlichen Höhepunkt. Denn die Tür ging auf und in ihr standen vier lachende Klassenkameradinnen. Und unsere Hände flogen hoch.

Vorneweg Konstanze – genannt Katsche –, meine Partnerin in der Tanzschule. Sie hatte nicht nur beim Rumba und Walzer die Hosen an, eigentlich bei jedem Tanz. Okay, bis auf den Sitz-Boogie und den Ententanz. Die Rollen waren klar verteilt: sie führte, ich durfte (bzw. musste) sie auffordern. Ging auch gar nicht anders, aufgrund ihrer körperlichen Überlegenheit. Um bei der Gladbach-Bayern-Rivalität (siehe BMG) zu bleiben: Konstanze war Katsche Schwarzenbeck, ich war Allan Simonsen.

So viel Süßes zu HASEN.




Donnerstag, 28. März 2013

BMG






Da denkt man an nichts Sportliches, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem BMG prangt.

Und schon schlägt mein Herz höher. Denn seit mehr als 40 Jahren schlägt es für den Borussia VfL 1900 Mönchengladbach e.V., kurz: Borussia Mönchengladbach, kürzer: Gladbach, als Abkürzung: BMG.

In den 70er Jahren in West-Berlin aufgewachsen, gab es als Fußball-Besessenen nicht viele Möglichkeiten. Entweder man fieberte mit der Alten Dame Hertha oder eben mit den ewigen Rivalen Borussia Mönchengladbach oder FC Bayern München.

In meinem ersten und einzigen Berliner Fußball-Verein – 1. FC Concordia Gropiusstadt 1957 e.V. –, bei dem ich bis Ende 1979 spielte, waren die meisten Jungs glühende Anhänger von Gladbach. Spannungen gab es nur innerhalb der Familie – da mein Vater Bayern-Fan war.

Früher war alles besser. Zumindest als Gladbach-Fan. Oder um es mit Coke Zero zu sagen: Das Leben, wie es sein sollte. Als Fan hat man doch genügend Szenen im Schädel und mit jedem Spieltag kommen eventuell welche dazu.

Sei es das glorreiche 12:0 am letzten Spieltag der Saison 1977/78 gegen Dortmund, das nervenaufreibende 5:4 im DFB-Pokal-Halbfinale 1984 gegen Bremen, das legendäre 2:1 im DFB-Pokal-Finale 1973 gegen Köln oder das unglaubliche Solo von Hans-Günter Bruns 1983 bei den Bayern ohne Happy End.

Heute mal in Denglisch mit einem Hauch Französisch: Bruns läuft mit der Pille von Coast to Coast, lässt drei Bayern in der eigenen Hälfte aussteigen, spielt einen Doppelpass mit Frank Mill vor dem 16er der Münchner, aber hat beim Abschluss leider nicht genügend Fortune (bitte frz. aussprechen); er trifft den linken Innenpfosten und von dort trudelt der Ball an den rechten Innenpfosten, bis er schließlich von Jean-Marie Pfaff aufgenommen wird. Das war beim Stande von 0:0. Das Spiel ging leider 4:0 für die Bayern aus.

Niederlagen und dämliche Unentscheiden verursachen bei mir körperliche Schmerzen. Aber Fans lassen sich davon nicht unterkriegen. Wie sagte noch der Ex-Gladbacher Lothar Matthäus

„Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken.“

Oder der Ex-Manager Rolf Rüssmann, als er selbst noch aktiv war: 

„Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.“

Schmerzen hin oder her, im Endeffekt mündet alles in der herzzerreißenden Headline einer alten Bild-Anzeige:

„Dein Herz kannst du an viele Frauen verschenken.
Aber nur an einen Verein.“

So viel Sportliches zu BMG.




Montag, 25. März 2013

ACDC






Da denkt man an nichts Schlimmes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem ACDC prangt.

Und da zuckt es auch schon in der Magengegend. Aber der Reihe nach. Da ich auf einem Lüneburger Gymnasium richtig gut war, wurde ich zu einem Tagesinternat nach HH transferiert. Mit mir im Schlepptau Olle Ihmchen – wie mein Onkel stets kundtat, wenn ihm ein Name nicht einfiel. Wir pendelten montags bis freitags in einem hellblauen 67er Bulli (T1) ohne Rückbänke zwischen den Burgen hin und her.

Seine Morgenfanfare, um für den anstehenden grausamen Tag im Internat gewappnet zu sein, war „Highway to Hell“ von AC/DC. Nichts gegen das Geschrammel von Angus Young und das Geschrei von Bon Scott bzw. Brian Johnson, aber deren „Highway to Hell“ war mein allmorgendlicher Walk of Shame.

Als Kind durfte ich während jeder Autofahrt, die zuvor aufgenommene Nahrung zweimal genießen – also kotzen. Als Teenager wechselte das Fortbewegungsmittel. Im Wagen hatte ich alles bei mir behalten, dafür bin ich im Bus alles losgeworden.

Der Bulli von Olle Ihmchen war ja bekanntlich ein Kleinbus – das hatte mein Mageninhalt auch schon gepeilt. Und der wollte an die frische Luft, als jeden Morgen während unseres Pendelverkehrs „Highway to Hell“ ertönte. Olle Ihmchen baute es auf, mich zog es runter und für drei Minuten an den Straßenrand.

Frisch gereinigt sah ich dem Tag gelassen entgegen. Bis mittags nichts gelernt, aber mit tollen Leuten Spaß gehabt. Nach dem Silentium ab zum Billardspielen oder ins Kino. Oder wenn wir mal gar keinen Bock hatten, sind wir schon vormittags verduftet und haben drei Filme gesehen. Das musste man aber richtig timen. Meist war gegen 12, 13 Uhr das Ufa am Gänsemarkt die erste Anlaufstation. Dann gegen 15 Uhr das Streit’s oder das Passage besucht. Und last but not least gegen 18 Uhr in Hauptbahnhofnähe den dritten Film des Tages reingezogen – entweder im Kino-Center, City, Savoy, Neues Broadway oder Neues Cinema.

Nach so vielen bunten Eindrücken ging’s zurück ins Grauen – mit der Bahn oder mit dem Bulli. Komischerweise konnte ich abends AC/DC besser ertragen. Meine Oma sagte daraufhin:

„Kannst morgens keinen Krach aufnehmen und bist unpässlich? Junge, das ist wohl deine feminine Seite.“

Was hab ich da wohl gedacht? Oma, ich helf dir gleich.

So viel Schlimmes zu ACDC.




Freitag, 22. März 2013

MUT






Da denkt man an nichts Verwegenes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem MUT prangt.

Und schon geht die Zeitreise im Geiste los. Nach meinem ersten Leben in der Gastronomie konnte ich endlich in der Werbung landen – in HH. Mit Blick auf die Elbe und beeindruckenden Pötten. Mit großen Chefs und genialen Kollegen. Mit einem unglaublichen Betriebsklima und einer einzigartigen Kollegialität – die ich so nie mehr erfahren habe. Mit einigen Vertretern konnte ich rund 10 Jahre zusammenarbeiten.

Der CD Text und ein gestandener Texter nahmen mich unter ihre Fittiche und weihten mich in die große Welt der Werbung ein. Wenn wir nicht texteten, lungerten wir in der Beratung rum, wie es eine Kontakterin mal treffend formulierte. Oder betrieben Girlwatching, wie es einer der Chefs mal ausdrückte.

Klar, dass wir auch die Mittagspausen zusammen verbrachten. Mittagspausen sind halt wie das Leben: mal entspannt, mal charmant, mal nett, mal angespannt, mal scheiße, mal geistig abwesend und mal trifft dich Amors Pfeil voll auf die Eier. Doch alle hatten meist eines gemeinsam: den Sättigungsgrad.

Die tägliche Gretchenfrage lautete: Wo geht’s hin? Die Lokalitäten – oder wie mein Vater immer gerne sagte: Bumsbuden – wurden gezielt ausgesucht. Das ging schließlich so weit, dass man sich entschloss, einen Monat lang nicht den gleichen Laden anzulaufen. Um auszuprobieren und zu experimentieren. Und da wir Deutschen ja so Sicherheitsfanatiker sind, halten wir das schriftlich fest. Und da wir Gewohnheitstiere sind, ziehen wir das Schriftliche nicht nur ein Jahr durch, sondern im Endeffekt sogar drei Jahre.

So viel zum Vorspiel bzw. Amuse-Gueule. Wir entschieden uns, ein bisschen Pfeffer in die Geschichte zu bringen und mittags mal eine MUTprobe zu bestehen. Das heißt, mal etwas zu bestellen und natürlich zu essen, was man zuvor noch nicht getan hat. Also sollte der Hauptgang ein mittäglicher Besuch beim legendären Kiez-Chinesen Man Wah sein. Die einzige Texterin im Hause wollte auch mutig sein und schloss sich uns an.

Standesgemäß fuhren wir in einer anthrazitfarbenen S-Klasse (Baureihe 126) des CDs vor. Drinnen wartete der drehbare Round Table auf uns. Wir ließen Froschschenkel, Hühnerfüße und Schweinedarm auffahren. Die Texterin zog ihren nicht vorhandenen Schwanz wieder ein und bestellte Rindfleisch Chop Suey.

Es war gewagt und bis auf die Texterin wurde niemand satt, um es freundlich auszudrücken. Die Froschschenkel schmeckten wie Huhn, nur die Fummelei machte einen fickerig. Bei den Hühnerfüßen fragten wir uns: Wal das kleine Flattelvieh etwa zu lange in del Fliteuse? Hätte man bejahen können, aber egal. Beim Abnagen der Füßchen kam einfach keine Freude auf. Der Schweinedarm entpuppte sich als die wahre Mutprobe. Denn der Duft des Darms überlagerte alles bisher Gewohnte und regte unweigerlich das Kopfkino an. Waren keine schönen Bilder geschweige denn Filme im Schädel. Der CD und der Junior-Texter stellten sich dem Horrorfilm bzw. –szenario und nahmen je einen Bissen, der Texter liebäugelte und haderte, brachte es aber weder übers Herz noch in seinen Bauch. Er verkroch sich später in seinem Glaskasten und labte sich an seiner Stinkfrucht.

Uns knurrte die Wanne und wir stanken wie Sau – die Meetings wurden vonseiten der Beratung auf den nächsten Tag verschoben. Einzig die Texterin konnte ihre Termine wahrnehmen. Wieder mal bestätigt: Frauen denken weiter.

So viel Verwegenes zu MUT.




Dienstag, 19. März 2013

KATE






Da denkt man an nichts Einzigartiges, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem KATE prangt.

Bringt meine kleine Hirnwindung zum Glühen und ein Zitat von Pete Doherty über KATE Moss während ihrer Zweisamkeit zum Vorschein.

„Sie ist ein fieser alter Lappen. Aber ich liebe sie wegen der Dinge, die sie im Bett tut und weil sie eine Multimillionärin ist.“

So viel Einzigartiges zu KATE.




Samstag, 16. März 2013

PIROL






Da denkt man an nichts Leckeres, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem PIROL prangt.

Und schon fängt das Kleinhirn an zu arbeiten. Denn bei Pirol denk ich unweigerlich an Loriot (dt. PIROL), einer der größten deutschen Humoristen.

Und das kam so. Als sich meine Eltern von West-Berlin nach Westdeutschland aufmachten, um sich selbstständig zu machen, hing ich mittendrin und in der Gastronomie fest. Damals war ich 12, und als es später nach der Schule darum ging, Geld zu verdienen, gab es keinen Texterjob. Also begann ich eine Alibi-Ausbildung als Koch, da ich Küche, Service und Einkauf ja eh schon kannte. Um erst einmal Land zu gewinnen, floh ich ins Ländle.

Das Restaurant Rhapsody befand sich im Forum am Schlosspark, eines der modernsten Kultur- und Kongresszentren in Ludwichsburg, in dem Konzerte (u.a. Chick Corea) gegeben, Veranstaltungen und Events abgehalten sowie Shows (u.a. Verstehen Sie Spaß?) aufgezeichnet wurden. Doch damit nicht genug: Das Herzstück des Forums war ein Theater, in dem zu meiner Ausbildungszeit Loriot die Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber inszenierte.

Warmes Essen gab es von 11.30 bis 14 Uhr und von 18 bis 22 Uhr. Das heißt, die Küchenbrigade war zu diesen Zeiten vollständig. Als Azubi hatte ich meist Dienst von 10 bis 18 Uhr. Musste also Mise en Place machen – Beilagen, Salate, Saucen vorbereiten, bevor die Jungs antanzten und nach dem Mittagsgeschäft wieder abdampften.

Wenn Loriot schon mal zwischen den Freischütz-Proben ins Restaurant kam, war es natürlich zwischen 15 und 17 Uhr, während ich in der Küche am Rudern und Jodeln war. Auf der Speisekarte stand Nouvelle Cuisine hoch und runter. Doch das interessierte Loriot nicht die Bohne, wie der damalige Chef de Rang – ein Inder mit Spitznamen Bombay – aufgeregt verkündete. Er flitzte in die Küche und sagte:

„Loriot, mochte nichts von der Karte, er mochte Matjes mit Bohnen und Kartoffeln.“

Sollte natürlich „möchte“ heißen, aber Bombay konnte keine Umlaute sprechen. So hieß auch „Tisch fünf“ stets „Tisch fumpf“. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bombay und ich hatten schließlich noch Matjes aufgetrieben, obwohl es nicht auf der Karte stand, und Bohnen und Kartoffeln in kürzester Zeit gegart. Half alles nichts, Loriot hat nur die Hälfte verputzt – der Spaßvogel.

So viel Leckeres zu PIROL (frz. Loriot).




Mittwoch, 13. März 2013

FEE






Da denkt man an nichts Schräges, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem FEE prangt.

Erinnert mich gleich an meine erste Agenturstation im zweiten Leben. Ein alternder Texter murmelte stets, bevor eine Junior-Beraterin feengleich mit einem neuen Briefing sein Büro betrat:

„Komm, bück dich, FEE, Wunsch ist Wunsch.“

Natürlich war das nicht pc. Mittlerweile ist er ein hohes Tier in einem HHer Verlag, beidseitig bespielbar – und seine Fee hört auf den Namen Hans-Lothar.

So viel Schräges zu FEE.




Sonntag, 10. März 2013

PIC






Da denkt man an nichts Schönes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem PIC prangt.

Wie wir wissen, sind in der Werbung englische Begriffe angesagt. Beim Texter dreht sich vieles um Headline, Subline und Copy, Claim, Slogan und Punchline – der Grafiker kümmert sich unter anderem um Layouts und Shootings. Und beim Shooting geht es bekanntlich ums Bild, also ums PIC. Die Kurzform von Picture.

So geschehen auch in einer HHer Werbeagentur vor zig Jahren. In besagter Agentur war es üblich, Praktikanten einen Einblick in die Werbe- und Werberwelt zu gewähren. Sicherlich hätte man mehr von der Sorte Monica Lewinsky gehabt, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Praktikanten wurden meist 14 Tage bis vier Wochen durchgeschleust, kamen aus der Schule, über Kontakte von Bekannten oder von Kunden, sogenannte Kundenkinder (Kukis). Dieses noch immer präsente Kuki war – nett formuliert – wohlgenährt, böse Zungen sagten: fett.

An einem Montagmorgen kam sie gut gelaunt in die Agentur, wurde durch die ehrwürdigen Räumlichkeiten geführt und landete schließlich im Grafik-Atelier, wo sie die nächsten beiden Wochen Bilder suchen sollte. Ihr Platz war an einem Tisch vorgesehen, an dem vier junge, hübsche Mädchen mit Modelmaßen saßen. Kaum angekommen und vom Geschäftsführer Kreation nicht wahrgenommen, der sich gerade die Ausgeburt des Wochenend-Shootings ansah, wurde sie mit den Worten „Kuck dir dieses PIC an!“ begrüßt.

Jeder, der nicht live dabei war, musste davon ausgehen, dass das Kuki als Pig tituliert wurde und gemeint war. Doch es ging lediglich um ein Bild vom Shooting. Aufgrund der phonetischen und physischen Gemeinsamkeiten und Gemeinheiten, die sie wohl schon öfter vernahm, machte sie zehn Minuten lang Bekanntschaft mit den Nasszellen. Das Missverständnis wurde schließlich aufgeklärt. Und in den folgenden zwei Wochen wurde in der Grafik nur noch von Bildern gesprochen – nicht von Pics.

So viel Schönes zu PIC.




Donnerstag, 7. März 2013

WITZ






Da denkt man an nichts Aufmunterndes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem WITZ prangt.

Fällt mir gleich eine ehemalige Kollegin ein. Sie hatte den Empfang einer Berliner Werbeagentur unter Kontrolle, hörte auf den Namen Gülsen und war Türkin. Sie wuchs ebenfalls in Gropiusstadt (Ortsteil im Berliner Bezirk Neukölln) auf – nur zwei Jahrzehnte später. Sie hatte es faustdick hinter den Ohren, nur nicht so dicke mit der Rechtschreibung. Aber das ist ein anderes Thema. Gülsen erzählte uns eines Tages den folgenden WITZ, den man so leicht nicht mehr vergisst. Ob er auf Tatsachen beruhte und in ihrer Familie geschah, wollte sie auf Nachfrage nicht weiter erläutern.

Eine vielleicht typisch türkische Familie in deutschen Landen – drei Generationen unter einem Dach. Familienvater samt Frau um die 40, oder sagen wir: Mitte 40. Seine Mutter um die 70. Sein Sohn ein Teenager mit leichtem Oberlippenflaum – wie dessen Großmutter.

Eines Abends hört der Sohn Geräusche aus dem Schlafzimmer der Eltern. Er öffnet leise die Tür und sieht, wie sein Vater auf die Mutti steigt. Er schließt wieder die Tür und geht ins Bett.

Am nächsten Abend hört der Vater Geräusche aus dem Kinderzimmer. Er öffnet leise die Tür und sieht, wie sein Sohn auf die Großmutter steigt.

Am nächsten Abend hört der Vater Geräusche aus dem Kinderzimmer. Er öffnet leise die Tür und sieht, wie sein Sohn auf die Großmutter steigt.

Der Vater ist außer sich und schreit:
„Sohn, was machst du da?!“

Der Sohn trocken:
„Alter, fickst du meine Mutter, fick ich deine Mutter!“

So viel Aufmunterndes zu WITZ.





Montag, 4. März 2013

LEE






Da denkt man an nichts Besonderes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem LEE prangt.

Erinnert mich glatt an meine Kindheit. Wahrscheinlich ist die Kindheit die schönste Zeit des Lebens. Obwohl man sich ja tagtäglich aufs Neue motivieren sollte. Denn vielleicht wird’s ja doch noch mal besser, schöner, wilder, schräger als zu Zwergnasenzeiten. Aber auch da musste man hier und da mit Eigentoren und unliebsamen Überraschungen rechnen. Sei es, wenn einem ein Dartpfeil in den nackten Fuß geworfen wurde, wenn sich der Lenker eines Klappfahrrads ohne vorherige Absprache plötzlich nach unten senkte und man kopfüber mit einem eingesprungenen Rittberger oder wahlweise Doppelaxel auf die Fresse flog. Oder wenn man einfach nur nachts im Flur der Großeltern stand und nicht glauben wollte, was man da zu sehen bekam. Und das kam so.

Die Rollen der Helden waren schnell verteilt. Auf dem heiligen Rasen waren es Netzer, Overath, Bonhof, Flohe, Heynckes und Bruns. Neben dem Fußballplatz war es unter anderem John Wayne. Und es gab auch einen Antihelden: Christopher LEE. Obwohl ich mir damals all seine Dracula-Filme reinzog, hab ich ihn nicht gemocht. Hat sich bis heute auch nicht wesentlich geändert. Vielleicht liegt es daran, dass er mich in meinen Träumen immer heimgesucht hat. Mit seinen tiefen Augen, dieser merkwürdigen Kinnpartie und diesem Umhang. Erfreulicherweise gab es nie ein Happy End für Christopher Lee, da John Wayne ihn ja jede Nacht abgeknallt hat.

Möglicherweise liegt da auch der Grundstein für die Paranoia gegen Dinge, die im Zusammenhang mit Lee stehen. Wie Litamin, Likör und Litschi. Keine Regeln ohne Ausnahmen. Die da wären: Liebe, Literatur und Bruce Lee. Schweif ich ab? Yesssss. Wie jeden Sommer haben wir auch damals die Großeltern mütterlicherseits für ein paar Tage besucht und natürlich auch dort übernachtet. Die Eltern samt Schwester im Gästezimmer und ich durfte im Wohnzimmer das Zweisitzersofa in Beschlag nehmen. Mit all seinen Tücken. Denn ich hab mir jedes Mal die Birne an der Deckenleuchte – bestehend aus fünf schweren Glaskugeln – beim Aufstehen gestoßen, die aus mir heute noch immer unerfindlichen Gründen dermaßen tief hing, dass selbst der Pekinese meiner Tante sich die eingedrückte Nase gestoßen hätte. Wer der Inneneinrichter war? Keine Ahnung, wahrscheinlich das zu lange Kabel der Deckenleuchte.

Als Zwergnase neigte ich dazu, die Räumlichkeiten der Verwandten auszukundschaften. Auch nachts. Also auch in dieser denkwürdigen Nacht. War wieder auf dem Rückweg in mein Nachtlager, als ich eine Gestalt im langen Umhang vor der Wohnzimmertür wahrnahm. Das Licht ging an und ich erkannte fast meine Großmutter. Fast, denn irgendwas war anders. Irgendwas erinnerte mich an meinen Albtraum Christopher Lee. Die Kinnpartie samt fliehendem Kinn. Scheiße, jetzt ist es so weit. Hat sich Dracula in unsere Familie reingebissen und Oma ist die Abgesandte, die mich jetzt vernaschen darf? Na, Glückwunsch.

Aber so schnell gibt eine Zwergnase nicht auf. Nur was soll ich machen, hier im Flur? Zur Rechten die Küche, eine Sackgasse. Zur Linken die Kellertür, hinter der sich wahrscheinlich eine Gruft verbirgt, wo weitere Familienmitglieder, die ich bis dato noch gar nicht kannte, aber gleich mit kleinen Bissen im Hals kennenlernen werde, ihr Unwesen treiben. Im Rücken meine Eltern samt Schwester, die ihre Hanni-und-Nanni-Geschichten träumt oder gar lebt. Sollte ich einfach reinstürmen und sagen: Hallo, ich bin’s, euer Sohn, war gerade schon mal hier. Übrigens, im Flur steht jemand, so groß wie ein Kühlschrank, vor sich hinnuschelnd, sieht aus wie Oma, könnte aber auch ein Vampir sein. Was soll ich tun? Narkolepsie vortäuschen und einfach umfallen? Das wäre sicher ein gefundenes Fressen für Oma Dracula. Oder Oma wie eine Fahnenstange, einen Gegner umspielen und ab ins Wohnzimmer?

Sollte ich der Erste sein, der seinen Hals mit zwei Löchern zieren darf? Das Glückskind, das bei jedem Essen oder Kaffeeklatsch ein Glas oder eine Tasse umwarf sowie fast alle Fensterscheiben bei Verwandten und Bekannten unglücklicherweise zertreten und als Krönung durch eine Glastür gehen durfte. Da war von Copperfield noch nicht die Rede, und Siggi und Roy waren auch erst in den Startlöchern.

Scheiße rollt nach unten, wie wir wissen. Schöne Scheiße. Und davon hatte ich früher mehr als genug am Hals und am Fuß. Immer Hans guck in die Luft und ständig in Kaugummi oder Scheiße getreten. Ärgerlich, wenn man Udo Lattek Advantage, Dietrich Weise Universal von Puma oder Special Turf von Adidas trug. Dann konnte man jeden Abend mit Streichhölzern den Dreck aus den Noppen kratzen. Schweif schon wieder ab.

Nach einer nuschelnden Schrecksekunde, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, verschwand Oma im Bad und kam kurze Zeit und eine Klospülung später mit einem strahlenden Gebiss zurück. Kurzes Drücken und über den Kopf streicheln und schon ging’s ab in die Falle mit dem obligatorischen Kopfstoß an die tief hängende Deckenleuchte.

So viel Besonderes zu LEE.