Freitag, 22. März 2013

MUT






Da denkt man an nichts Verwegenes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem MUT prangt.

Und schon geht die Zeitreise im Geiste los. Nach meinem ersten Leben in der Gastronomie konnte ich endlich in der Werbung landen – in HH. Mit Blick auf die Elbe und beeindruckenden Pötten. Mit großen Chefs und genialen Kollegen. Mit einem unglaublichen Betriebsklima und einer einzigartigen Kollegialität – die ich so nie mehr erfahren habe. Mit einigen Vertretern konnte ich rund 10 Jahre zusammenarbeiten.

Der CD Text und ein gestandener Texter nahmen mich unter ihre Fittiche und weihten mich in die große Welt der Werbung ein. Wenn wir nicht texteten, lungerten wir in der Beratung rum, wie es eine Kontakterin mal treffend formulierte. Oder betrieben Girlwatching, wie es einer der Chefs mal ausdrückte.

Klar, dass wir auch die Mittagspausen zusammen verbrachten. Mittagspausen sind halt wie das Leben: mal entspannt, mal charmant, mal nett, mal angespannt, mal scheiße, mal geistig abwesend und mal trifft dich Amors Pfeil voll auf die Eier. Doch alle hatten meist eines gemeinsam: den Sättigungsgrad.

Die tägliche Gretchenfrage lautete: Wo geht’s hin? Die Lokalitäten – oder wie mein Vater immer gerne sagte: Bumsbuden – wurden gezielt ausgesucht. Das ging schließlich so weit, dass man sich entschloss, einen Monat lang nicht den gleichen Laden anzulaufen. Um auszuprobieren und zu experimentieren. Und da wir Deutschen ja so Sicherheitsfanatiker sind, halten wir das schriftlich fest. Und da wir Gewohnheitstiere sind, ziehen wir das Schriftliche nicht nur ein Jahr durch, sondern im Endeffekt sogar drei Jahre.

So viel zum Vorspiel bzw. Amuse-Gueule. Wir entschieden uns, ein bisschen Pfeffer in die Geschichte zu bringen und mittags mal eine MUTprobe zu bestehen. Das heißt, mal etwas zu bestellen und natürlich zu essen, was man zuvor noch nicht getan hat. Also sollte der Hauptgang ein mittäglicher Besuch beim legendären Kiez-Chinesen Man Wah sein. Die einzige Texterin im Hause wollte auch mutig sein und schloss sich uns an.

Standesgemäß fuhren wir in einer anthrazitfarbenen S-Klasse (Baureihe 126) des CDs vor. Drinnen wartete der drehbare Round Table auf uns. Wir ließen Froschschenkel, Hühnerfüße und Schweinedarm auffahren. Die Texterin zog ihren nicht vorhandenen Schwanz wieder ein und bestellte Rindfleisch Chop Suey.

Es war gewagt und bis auf die Texterin wurde niemand satt, um es freundlich auszudrücken. Die Froschschenkel schmeckten wie Huhn, nur die Fummelei machte einen fickerig. Bei den Hühnerfüßen fragten wir uns: Wal das kleine Flattelvieh etwa zu lange in del Fliteuse? Hätte man bejahen können, aber egal. Beim Abnagen der Füßchen kam einfach keine Freude auf. Der Schweinedarm entpuppte sich als die wahre Mutprobe. Denn der Duft des Darms überlagerte alles bisher Gewohnte und regte unweigerlich das Kopfkino an. Waren keine schönen Bilder geschweige denn Filme im Schädel. Der CD und der Junior-Texter stellten sich dem Horrorfilm bzw. –szenario und nahmen je einen Bissen, der Texter liebäugelte und haderte, brachte es aber weder übers Herz noch in seinen Bauch. Er verkroch sich später in seinem Glaskasten und labte sich an seiner Stinkfrucht.

Uns knurrte die Wanne und wir stanken wie Sau – die Meetings wurden vonseiten der Beratung auf den nächsten Tag verschoben. Einzig die Texterin konnte ihre Termine wahrnehmen. Wieder mal bestätigt: Frauen denken weiter.

So viel Verwegenes zu MUT.




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