Freitag, 12. Juli 2013

PEN






Da denkt man an nichts Kurioses, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem PEN prangt.

Während meines zweiten Berliner Agenturaufenthalts (siehe WITZ, WAS und PLI) hatte ich Kontakt zu einem weiteren Senior Texter. Wir texteten für unterschiedliche Kunden, tauschten uns aber ständig aus, da er das Büro nebenan bewohnte. Er trug ausnahmslos schwarze Klamotten und eine glatt polierte Fleischmütze. Sein Hinterkopf zierte ein Tattoo mit dem Konterfei Jokers – einer der Gegenspieler Batmans. Auch sein Körper war halbseitig tapeziert mit Drachen und Schlangen. Er war ein umgänglicher Zeitgenosse. Vorausgesetzt, man hatte beruflich keine gemeinsamen Berührungspunkte.

Joker hatte strikte Abläufe: Kam pünktlich um neun Uhr und ging exakt um 19 Uhr. Ein extremes Essverhalten: Montags bis freitags holte er sich mittags drei Hamburger von McD, zog sich die Buletten aus dem Burger und mit einem Becher Sour Cream rein in den Leib. Das durchweichte Brötchen samt Gemüse- und Saucenbeilage stellte er dem Allgemeinwohl oder -übel zur Verfügung in die Agenturküche. Je ein Tetra Brik Apfelmus und Vanillesauce von Aldi rundeten sein tägliches Mittagsmenü ab. Er hatte gewisse Defizite, die rein zwischenmenschlicher Natur waren. Und ungeahnte Talente: Er konnte das Alphabet rülpsen, wie wir fast täglich nach der Speisenfolge feststellen konnten und mussten.

Eines Vormittags rief mich ein Kundenberater aus Jokers Team an und bat mich, an einem Meeting teilzunehmen, da Joker nicht aufgetaucht war. Ungewöhnlich. In den dreieinhalb Monaten, die er bis dato in der Agentur verweilte, hatte er weder einen Urlaubstag genommen noch krankgefeiert.

Tage und Wochen vergingen, ohne ein einziges Lebenszeichen von Joker. Kein Mitarbeiter hatte privaten Kontakt zu ihm – welch Wunder. Sowohl Personalabteilung als auch Empfang hatten keinerlei Telefonnummern von Verwandten oder Bekannten. Man stand vor einem Rätsel.

Nach drei Wochen entschied die Geschäftsführung, den verschlossenen Rollcontainer vom Hausmeister öffnen zu lassen. Bis auf drei Dosen Sprühkleber und elf unangetastete Packungen voll mit schwarzen Faserschreibern – Sign PEN der Marke Pentel – war nichts Brauchbares zu finden.

Da waren sie also: 132 schwarze Pentel Sign Pen in des Nachbars Büro. Kuck an, uns einte, dass wir dieselben Stifte nutzten. Auch ich schrieb und schreib nur mit einem schwarzen Pentel Sign Pen. Kleine Welt.

Eine andere Welt machte sich auf, als wir nach vier Monaten erfuhren, dass Joker hinter schwedischen Gardinen saß. Ne Drogengeschichte.

So viel Kurioses zu PEN.




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