Montag, 9. September 2013

REHE






Da denkt man an nichts Wildes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem REHE prangt.

Geboren in England, aufgewachsen in West-Berlin – mussten meine Schwester und ich unseren Eltern in die niedersächsische Provinz folgen, da sie sich dort selbstständig machten (siehe DAD). Eine Gaststätte mit acht Kegelbahnen sollte die folgenden zehn Jahre unser trautes Heim bilden. Schließlich wohnten wir direkt über der Gastwirtschaft.

Es war eine Wohnung mit einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, zwei Kinderzimmern, einem Bad und einem großen Wintergarten. Aber ohne Küche. Denn die gastronomische Küche im Erdgeschoss war auch gleichzeitig unsere private Küche. Machte es manchmal etwas mühsam, wenn man die langen Wege und 18 Stufen absolvieren musste, um beispielsweise zum Kühlschrank zu gelangen. Andererseits fehlte es an nichts.

Eines Nachmittags kam mein Vater nach oben in mein Zimmer und bat mich, Mise en Place für den Abend zu machen. Ich ging kurz darauf runter in die Küche, mein Vater und unser Hund Bobby (siehe BOB) folgten mir in sicherem Abstand. Und plötzlich stockte mir der Atem, während Bobby anschlug, jaulte und ganz außer sich war. Auf dem großen Edelstahltisch, wo ich sonst alles vorbereitete, lagen zwei REHE. Noch warm, aber nicht mehr unter uns. Ein Gast, um genau zu sein: ein Jäger, schoss sie in seinem Revier und brachte sie vorbei.

Mein Vater grinste wie ein Honigkuchenpferd, da er mich mal wieder verarscht hatte, und rieb mit der flachen Hand über meine Haare und meinen Schädel – so wie Väter das halt so machen. Er wetzte die Messer und begann, die Rehe auszulösen, auszubeinen und auszunehmen.

Das war vielleicht ne Sauerei. Klar, dass Bobby die Aktion bewachte, jeden Handgriff meines Vaters beäugte und mit den Parüren sich den Bauch vollschlug. Und klar, was auf der Speisekarte in zig Variationen stand.

So viel Wildes zu REHE.




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