Montag, 5. August 2013

ART






Da denkt man an nichts Kreatives, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem ART prangt.

Führt mich zurück in die Achtziger – zur Kochausbildung ins Ländle (siehe PIROL, TRIO und BBQ). Neben dem praktischen Teil im Restaurant gab es selbstverständlich auch einen theoretischen Teil in der Berufsschule. Nach vier Monaten Praxis standen acht Wochen Theorie als Blockunterricht auf dem Programm.

Der erste Tag in der Berufsschule hatte es in sich und ich mich am Morgen heillos verfranzt. Mit einem Becher Coke von McD bewaffnet, entdeckte ich endlich das Gebäude und schritt darauf zu. Als ich quer über den Parkplatz ging, kam es zum Crash. Ein schwarzes VW Käfer Cabrio mit sandfarbenem Verdeck touchierte meine Beine, bevor es mit lautem Quietschen zum Stehen kam. Ich geriet ins Wanken und ließ vor lauter Schreck meinen Becher los, der in hohem Bogen aufs Verdeck fiel. Glücklicherweise war es verschlossen – blöderweise nur wasserdicht, aber nicht cokeresistent.

Die Fahrerin des Käfers stieg mit weichen Knien aus und erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden und meinen Schienbeinen. Als wir das geklärt hatten, beobachteten wir, wie die braune Brause langsam ins sandfarbene Verdeck zog statt abzuperlen.

Sie war Maja Maranow wie aus dem Gesicht geschnitten und ungewohnt amüsiert von der neuen Optik ihres Wagens.

„Faszinierend. Sieht aus wie das Primärstadium eines Jackson-Pollock-Werkes.“

Ich verstand nur Bahnhof. Das sah sie mir wohl auch an. Sie bat mich, in der Mittagspause im Lehrerzimmer vorbeizuschauen. Wie sich herausstellte, unterrichtete sie Deutsch und Wirtschaftslehre in der Parallelklasse – bei den Fleischern/Metzgern/Schlachtern je nach Region – und wurde von ihren Schülern liebevoll ‚Schwäbisch Prall’ genannt.

Sie kam und lud mich auf ein Leberkäsebrötchen ein. Schließlich fabrizierten die Fleischer/Metzger/Schlachter jeden Mittag Leberkäse en masse, um ein bisschen Kohle in die klammen Kassen zu spülen.

Schwäbisch Prall entschuldigte sich für den morgendlichen Vorfall. Nachdem sie meine blanken Beine und mittlerweile blauen Flecke unter die Lupe nahm, nahm sie einen weiteren Vorstoß, mir etwas von Jackson Pollock nahezubringen. Leider stieß sie damals auf taube Ohren. Ich war erst wieder aufnahmefähig, als sie sagte, ich solle mir fürs Wochenende nichts vornehmen.

Im Ländle beginnt das Wochenende scheinbar schon Freitagmittag. Zumindest fing sie mich gegen 12 Uhr vor der Küche der Berufsschule mit einem Leberkäsebrötchen ab und geleitete mich zum Parkplatz. Mir wurde leicht übel ob der demnächst anstehenden Zahlungen, als ich das von mir verunstaltete Verdeck des Käfers in Augenschein nahm. Sie nahm es komischerweise mit Humor.

Zwei Stunden später Richtung Schweizer Grenze erreichten wir das Ziel: die lichtdurchflutete 70er-Jahre-Villa im Bauhaus-Stil ihres Onkels. In der Eingangshalle empfing uns eben jener samt Gemahlin und ein atemberaubendes Gemälde von Jackson Pollock – dem Meister des Action Painting und vermutlich Erfinder der Drip-Painting-Technik. Das Werk Number 31 von 1950 – etwa zweieinhalb mal fünf Meter groß – füllte auf bemerkenswerte Art und Weise das Entree und hatte verdammte Ähnlichkeit mit dem Verdeck des Käfers. Langsam fiel der Groschen.

Es war natürlich nicht das Original – das original Kunstwerk dürfte wohl noch im Museum Of Modern ART in New York zu bewundern sein –, sondern ein Foto des Gemäldes auf Leinwand gezogen. Nicht minder spektakulär.

Der Onkel machte schließlich noch vom Garagendach aus ein Foto vom Verdeck des Käfers und schenkte es Schwäbisch Prall zu Weihnachten. Auf A0 geprintet und ebenfalls auf Leinwand gezogen. Wer hätte das gedacht, wozu Coke fähig ist.

So viel Kreatives zu ART.




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