Da denkt man an nichts Verwegenes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem
MUT prangt.
Und schon geht die Zeitreise im Geiste
los. Nach meinem ersten Leben in der Gastronomie konnte ich endlich in der
Werbung landen – in HH. Mit Blick auf die Elbe und beeindruckenden Pötten.
Mit großen Chefs und genialen Kollegen. Mit einem unglaublichen Betriebsklima
und einer einzigartigen Kollegialität – die ich so nie mehr erfahren habe. Mit
einigen Vertretern konnte ich rund 10 Jahre zusammenarbeiten.
Der CD Text und ein gestandener Texter
nahmen mich unter ihre Fittiche und weihten mich in die große Welt der Werbung
ein. Wenn wir nicht texteten, lungerten wir in der Beratung rum, wie es eine
Kontakterin mal treffend formulierte. Oder betrieben Girlwatching, wie es einer
der Chefs mal ausdrückte.
Klar, dass wir auch die Mittagspausen
zusammen verbrachten. Mittagspausen sind halt wie das Leben: mal entspannt, mal
charmant, mal nett, mal angespannt, mal scheiße, mal geistig abwesend und mal
trifft dich Amors Pfeil voll auf die Eier. Doch alle hatten meist eines
gemeinsam: den Sättigungsgrad.
Die tägliche Gretchenfrage lautete: Wo
geht’s hin? Die Lokalitäten – oder wie mein Vater immer gerne sagte: Bumsbuden
– wurden gezielt ausgesucht. Das ging schließlich so weit, dass man sich
entschloss, einen Monat lang nicht den gleichen Laden anzulaufen. Um
auszuprobieren und zu experimentieren. Und da wir Deutschen ja so
Sicherheitsfanatiker sind, halten wir das schriftlich fest. Und da wir Gewohnheitstiere
sind, ziehen wir das Schriftliche nicht nur ein Jahr durch, sondern im
Endeffekt sogar drei Jahre.
So viel zum Vorspiel bzw. Amuse-Gueule.
Wir entschieden uns, ein bisschen Pfeffer in die Geschichte zu bringen und
mittags mal eine MUTprobe zu bestehen.
Das heißt, mal etwas zu bestellen und natürlich zu essen, was man zuvor noch
nicht getan hat. Also sollte der Hauptgang ein mittäglicher Besuch beim
legendären Kiez-Chinesen Man Wah sein. Die einzige Texterin im Hause wollte
auch mutig sein und schloss sich uns an.
Standesgemäß fuhren wir in einer
anthrazitfarbenen S-Klasse (Baureihe 126) des CDs vor. Drinnen wartete der
drehbare Round Table auf uns. Wir ließen Froschschenkel, Hühnerfüße und
Schweinedarm auffahren. Die Texterin zog ihren nicht vorhandenen Schwanz wieder
ein und bestellte Rindfleisch Chop Suey.
Es war gewagt und bis auf die Texterin
wurde niemand satt, um es freundlich auszudrücken. Die Froschschenkel
schmeckten wie Huhn, nur die Fummelei machte einen fickerig. Bei den
Hühnerfüßen fragten wir uns: Wal das kleine Flattelvieh etwa zu lange in del
Fliteuse? Hätte man bejahen können, aber egal. Beim Abnagen der Füßchen kam
einfach keine Freude auf. Der Schweinedarm entpuppte sich als die wahre
Mutprobe. Denn der Duft des Darms überlagerte alles bisher Gewohnte und regte
unweigerlich das Kopfkino an. Waren keine schönen Bilder geschweige denn Filme
im Schädel. Der CD und der Junior-Texter stellten sich dem Horrorfilm bzw.
–szenario und nahmen je einen Bissen, der Texter liebäugelte und haderte,
brachte es aber weder übers Herz noch in seinen Bauch. Er verkroch sich später
in seinem Glaskasten und labte sich an seiner Stinkfrucht.
Uns knurrte die Wanne und wir stanken
wie Sau – die Meetings wurden vonseiten der Beratung auf den nächsten Tag
verschoben. Einzig die Texterin konnte ihre Termine wahrnehmen. Wieder mal
bestätigt: Frauen denken weiter.
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