Dienstag, 9. Juli 2013

BBQ






Da denkt man an nichts Würziges, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem BBQ prangt.

Wie schon mal verkündet, hatte ich es während meiner Kochausbildung (siehe PIROL und TRIO) mit mehreren Kochbrigaden zu tun. Eine Mannschaft startete gleichzeitig mit einem neuen Restaurantleiter. Chef de Cuisine und Souschef kamen aus Gelsenkirchen, der Entremetier aus Koblenz, der Gardemanger aus Trier und der Pâtissier aus Freiburg.

Um das gesamte Team zu motivieren, die Neuankömmlinge positiv einzustimmen und um gegen die ständige Fluktuation anzukämpfen, initiierte der Maître d’hôtel innerhalb des ersten Monats ein Barbecue. Kurz: BBQ.

Da das Restaurant täglich geöffnet war und man nicht eigens für ein hausinternes BBQ den Laden schließt, entschied man sich, den umsatzschwächsten Nachmittag auszudehnen. An einem sonnigen Mittwoch im goldenen Oktober wurde die Mittagspause schon auf 13 Uhr vorverlegt.

Die vollständige Belegschaft – sechs Köche inklusive meiner Wenigkeit, drei Spüler, fünf Servicekräfte, eine Tresenfee, ein Restaurantleiter, ein stellvertretender Restaurantleiter und eine Buchhalterin – verteilte sich auf mehrere Mitarbeiterwagen und steuerte den Bungalow des stellvertretenden Restaurantleiters an. Hinter dem Flachbau verbarg sich ein großer quasi verwunschener Garten, in dem uns überraschenderweise die besseren Hälften der Restaurantmitarbeiter freundlich empfingen. Ich war der einzige Solist im Knabenchor.

Neben Melonen-, Erdbeer-, Preiselbeer- und Pfirsich-Bowle lag das Hauptaugenmerk auf Spanferkel, Roastbeef und zig Sorten Grillwürsten. Es war eine einfache Welt: Alkohol und Fleisch – keine Fische, keine Softdrinks. Merkwürdigerweise gab es damals weder Vegetarier noch Veganer geschweige denn Abstinenzler.

Es kristallisierte sich heraus, dass die Köche auf den Alkohol ansprangen und die Servicekräfte scharf aufs Essen waren. Halt wie bei der Arbeit. Nur mussten an diesem Nachmittag keine Deals eingegangen werden – da alles offen und für jeden zugänglich war.

Die Küche erhöhte beim Alkohol die Schlagzahl, der Service hielt sich indes zurück. Schon gegen 15 Uhr kam es zu ersten Szenen. Die angeschickerten Profiköche provozierten und diffamierten die Hobbyköche – also die besseren Hälften. Bevor alles aus dem Ruder lief und um die Wogen zu glätten, schlug die ach so biedere Buchhalterin eine Schlüsselparty vor. Mit einem Mal und durch die enorme Alkoholaufnahme waren alle hin und weg ob der bevorstehenden Abenteuer und Wechselspiele. Jeder durfte teilnehmen, der einen Partner an der Seite hatte. Bis auf einen Spüler und die Tresenfee legte jeder seine Wohnungsschlüssel in die ausgehöhlte Wassermelone, in der noch kurz zuvor die Melonen-Bowle innewohnte.

Gegen 17 Uhr war ‚Ladies first’ angesagt. Jeder weibliche Gast musste mit verbundenen Augen in die Melone und sein Glück für den späten Nachmittag fassen, denn schließlich sollte gegen 19 Uhr das Restaurant wieder öffnen.

Erst Jahre später, als ich „Der Eissturm“ von Ang Lee mit Kevin Kline, Joan Allen und Sigourney Weaver sah, erfuhr ich, was ich damals verpasste. Oder eben auch nicht.

Lediglich der stellvertretende Restaurantleiter, der Souschef, ein Spüler, die Tresenfee, Bombay (siehe PIROL) samt Gemahlin und meine Wenigkeit traten gegen 19 Uhr ihren Dienst an.

Am nächsten Tag drucksten alle, die man fragte, rum. Keiner ließ sich etwas entlocken. Nur die Buchhalterin kicherte unentwegt und kam ungewohnt oft in die Küche. Und der Entremetier lief augenscheinlich mit einem Veilchen auf. Wollte uns aber weismachen, dass er gegen die Badezimmertür gestoßen sei. Klar wie Kloßbrühe.

Der Restaurantleiter wurde – wie auch diese Brigade – nicht sehr alt in dem Laden. Es gab weder ein weiteres Barbecue noch eine weitere Schlüsselparty.

So viel Würziges zu BBQ.




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