Freitag, 12. April 2013

KUH






Da denkt man an nichts Wiederkäuendes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem KUH prangt.

In vielen Berufen werden Sprüche geklopft und Begrifflichkeiten wieder und wieder rausgeholt. So auch in der Werbung. Zu meiner HHer Zeit machte das Berater-Bullshit-Bingo die Runde mit Begriffen wie Synergie, Benefit, Corporate Identity, Szenario, Chance, Risiko, Vision und Benchmark – um nur einige der 25 zu nennen.

Hatte man fünf Worte in denkwürdigen Meetings aufgeschnappt, konnte man aufstehen und „Bullshit“ brüllen. Brüllen vor Schmerzen konnten hingegen Kreative beim inoffiziellen Kreativen-Bullshit-Bingo, wenn Berater oder Kontakter folgende Floskeln raushauten.

„Die KUH vom Eis holen“
Bedeutung: Der Kunde ist nicht zufrieden, hat uns einen Einlauf verpasst, Kreation muss noch mal Vollgas geben.

„Einen Tod müssen wir sterben“
Bedeutung: Wir können nicht beides anbieten, das überfordert den Kunden. Kegelt eins raus.

„Es ist noch nicht in Sack und Tüten“
Bedeutung: Der Kunde hat noch kein finales Feedback gegeben. Film, Funki, Anzeige, Copy oder was auch immer ist also noch nicht durch.

„Holland in Not“
Bedeutung: siehe „Die Kuh vom Eis holen“.

„Ist doch Neger vor Hütte“
Bedeutung: Der Text sagt, was das Bild zeigt – ist also ne Bildbeschreibung. Geht doch besser, oder? Bisschen mehr Sixt, bitte!

„Ist noch nicht in Essig und Öl“
Bedeutung: Der Entwurf ist noch im Grob-Layout-Stadium, noch nicht fertig ausgearbeitet.

„Jetzt mal in die Tüte gesprochen“
Bedeutung: Mal so dahin gelabert, aber vielleicht ist an der Idee ja was dran.

„Polen ist offen“
Bedeutung: Die Kreation ist frei, kann 360° denken, sich austoben.

Sie wurden von der Beratung dermaßen stark penetriert, dass man sie selbst immer wieder anbrachte – auch wenn es nicht angebracht war oder passte –, um die Beratung zu verarschen. Sie hat es aber nicht geblickt.

Eine dieser Bullshit-Bingo-Floskeln in einer meiner letzten Berliner Agenturen lautete: „Das machen wir auf der Tonspur“. Hieß, der Passus kommt nicht in die Präse, wird nur verbal kommuniziert. Klar.

Klar musste man sich als Texter nicht nur mit der Beratung rumschlagen, sondern natürlich auch dem CD Text oder Kreations-Geschäftsführer seine Texte vorlegen. Und gegebenenfalls abschießen lassen.

Springer & Jacoby verschickte ein wunderbares Buch mit dem Titel „Abgeschossen“ vor zig Jahren an Deutschlands Kreativelite, in dem viele Perlen stecken, die man schon mal gehört bzw. selbst verbraten hat.

„Da weiß ich ja gar nicht, was ich zuerst wegwerfen soll.“
(CD zum Texter)

„Ich glaub, das muss man sich selbst ausgedacht haben, um das zu verstehen.“
(Text-CD zum Art-CD)

„Lern erst mal Deutsch.“
(Texter zum amerikanischen AD)

„Gibt es irgendwas, das wir stattdessen rausschicken können?“
(Kontakter zum Text-CD)

„Das ist Art-Direktoren-Denke. Das heißt, soweit man da überhaupt von Denken sprechen kann.“
(Texter zum AD)

„Toll! Das habe ich neulich auch im Lürzer’s gesehen!“
(Konter eines Grafikers zum Art-CD)

„Es gibt 26 Buchstaben. Warum hast du ausgerechnet die genommen?“
(CD zum Junior-Texter)

„Schöne Funkspots. Aber findest du nicht, dass wir die Firma mal erwähnen sollten?“
(CD zur Texterin)

„Gibt es das auch noch in gut, oder war das deine beste Idee?“
(Art-CD zum AD)

„Wenn du das mit deinem Gewissen vereinbaren kannst – aber komm hinterher nicht angeheult.“
(CD zum Texter)

„Ich glaub, du bist einfach zu dumm, um das zu begreifen.“
(Art-CD zur Texterin)

„Sach ma, soll’n wir nich lieber über was Schöneres reden? Wie wär’s mit Ficken?“
(CD zum Texter)

„Wir haben doch alle Abitur, oder?“
(CD zum Kunden)

„Bist du eigentlich noch in der Probezeit?“
(CD zum Junior-Texter)

„Das kann schon sein, dass das genial ist – aber ich bin nun mal der Chef.“
(Alteigner zur Texterin)

„Hör mal, warum bleibst du nicht einfach zu Hause, heiratest und kaufst dir’n Hund?“
(CD zur Texterin)

So viel Wiederkäuendes zu KUH.




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