Mittwoch, 24. April 2013

SKA






Da denkt man an nichts Rollendes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem SKA prangt.

Lässt meine Teenagerjahre in einer niedersächsischen Kleinstadt Revue passieren (siehe HASEN). Hatte hauptsächlich Fußball, Tennis und Basketball im Kopf und träumte von einem 72er Vespa-Roller, wie ich ihn in Quadrophenia sah.

Kollegen in der Schule, vom benachbarten Internat und Fußballverein fuhren Scooter in allen erdenklichen Farben und mit allen möglichen Extras.

Sie waren frisiert wie Popper, rausgeputzt wie Mods und hörten SKA. Folglich initiierten sie eine Ska-Mod-Party in einem alten Fachwerkhaus. Der Besitzer, ein scheinbar gut verdienender Zahnarzt, war der Vater eines Mods und natürlich nicht zugegen.

Die erste Motto-Party, an der ich teilnahm. Mein Problem? Da ich nicht zur Konfirmation ging wie die übrigen Cliquenstrategen und mich außerdem im Wachstum befand, hatte ich noch keinen Anzug. Schöne Scheiße. Dafür lagen aber die dreiteiligen Anzüge meines Großvaters auf unserem Dachboden, der zwei Jahre zuvor verstorben war.

Da er etwas untersetzt war, ich hingegen eher der Gattung des Herings angehöre, wie Westernhagen es mal beschrieb, saßen die Klamotten dementsprechend – nicht. Das einzige Stück, das haargenau passte, war ein Pork-Pie-Hat. Sein Zwillingsbruder spielte wahrscheinlich in „The French Connection“ von William Friedkin eine Hauptrolle auf Popeye Doyles Kopf.

Das Herz ging auf, als ein Kumpel und ich die Roller vor dem Haus erblickten. Mit offenem Mund standen wir da – und dann fuhr uns fast ein Roller die Füße platt. Er hatte vier Spiegel, zwei verchromte Backen und die Kokarde der Royal Air Force über dem Rücklicht und sollte ein paar Jahre später im Video „Good Thing“ der Fine Young Cannibals zu sehen sein.

Das Goldstück gehörte einem anderen Goldstück. Nennen wir sie doch Rosa Rotunde. Rosa war drei Jahre älter und drehte ihre Runden auf dem Internat. Sie beherrschte perfekt die Klaviatur der Eigeninszenierung. War auch nicht schwer. Sie hatte seidig glänzendes Haar, wunderschöne Augen und einen elfenhaften Gang.

Die Erde bebte und die Engel weinten, als sie meine Hand nahm und mich hineinzerrte. Da ich hinter den Ohren noch nicht trocken war und täglich meine Vitamine nahm, folgte ich ihr. Sie füllte mich mit Pernod und Tequila ab, bevor es zum Kusswechsel kam.

Schließlich kam es zum Showdown. Sie begleitete mich aufs Gäste-Klo, spielte ihre Trümpfe aus und ließ ihre Brüste an die frische Luft. Doch Pustekuchen – ab diesem Zeitpunkt regierte das Schwarzbild.

Als ich wieder zu mir kam, thronte der Pork-Pie-Hat meines Großvaters nicht mehr auf meinem Schädel. Neben mir kauerten zwei mir nicht bekannte Gesichter mit heruntergelassenen Hosen und glattrasierten Eiern.

Nun bemerkte ich, wie kalt es auf den Fliesen ist. Kein Wunder, wenn die Hose in der Kniekehle rumlungert. Doch die Scham ging weiter. Da hat man zig Jahre gebraucht, bis die Haare sprießen und – schwuppdiwupp – schon sind sie wieder weg. Ebenso wie Rosa „Der Rasierer“ Rotunde. Daher also ihr Spitzname.

Was sagte meine Großtante stets bei Tiefschlägen?

„Junge, das Leben ist zu kurz für ein langes Gesicht.“

Was sage ich heute? Zum Glück gab es damals weder Foto-Handys noch YouTube.

So viel Rollendes zu SKA.




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