Da denkt man an nichts Lautes,
und dann das: Seh ich doch
ein Nummernschild, auf dem VERD prangt.
Und da fällt mir unweigerlich Vera ein,
eine ehemalige Kollegin in einer HHer Werbeagentur (siehe PIC, FEE, MUT und BLB). Sie galt als Faktotum
aufgrund ihrer Erscheinung, ihres Aussehens und Auftretens.
Die Agentur befand sich auf zwei
Ebenen. Auf der oberen Etage war das repräsentative Volk, auf der unteren Etage
das arbeitende Volk. Oben gab es Parkett, unten Teppich. Oben hohe Decken,
unten nicht. Auf beiden Ebenen gingen jeweils von einem 100 Meter langen Flur
zahlreiche Büros ab. Alle 20, 25 Meter waren etwa 2,10 Meter hohe, stets
geöffnete Brandschutztüren angebracht.
Vera war die längste Person in der
Agentur – stattliche 1,96 Meter hoch. Sie hatte langes braunes Haar, eine
unverschämt große Nase und ein lautes Organ. Sie trug ausschließlich Kostüme
oder Kleider und Schuhe oder Stiefel mit mindestens 10 Zentimeter hohen
Absätzen. Sie hatte wahrscheinlich eine größere Spannweite als Michael Jordan
und einen lebhaften, markerschütternden, raumgreifenden Gang, wie man ihn sonst
nur von Fohlen kennt.
Daraufhin gab die Text-Fraktion Vera
einen neuen Namen und taufte sie VERD.
Liebevoll Verdchen. Auch weil man sie schon hörte und wahrnahm, bevor sie einen
Schritt machte. Ihr war es zu verdanken, dass in der oberen Etage das Parkett
mit einem ewig langen Teppichläufer geschützt wurde, da ihr Auftreten zu laut
für Kollegen und Kunden sowie nervend für die Geschäftsführer war.
Eines Tages bekam Vera einen scheinbar ungemütlichen Anruf
eines Kunden. Sie tat, was sie sonst nie tat: sie rannte. Sie rannte unten den
langen Flur entlang, Richtung Grafik-Atelier. Doch sie hatte die Rechnung ohne
den Wirt gemacht – die Brandschutztür. Vera blieb mit ihrer Stirn an der Wand
über der Brandschutztür für einen Augenblick kleben, bevor sie wie ein nasser
Sack zu Boden ging und auf dem Rücken liegen blieb. Eine Schrecksekunde später
ertönte ihr lautes Lachen. Sie war hart im Nehmen und nahm es mit Humor, band
sich einen Turbanverband um wie einst Dieter Hoeneß beim legendären 4:2 im
DFB-Pokal-Finale 1982 zwischen Bayern München und Nürnberg und machte weiter
ihren Job.
Erinnerte mich an einen anderen Job, meine Kochausbildung.
Mein erster Küchenchef faltete in meiner ersten Woche einen Commis de Cuisine
mit folgenden Worten zusammen, als er ihn in den Räumlichkeiten rennen sah:
„Gute Köche rennen nicht!“ Das hat sich jeder auf die Schürzen geschrieben.
Fortan ging man geschwind – falls was aus den Kühlhäusern besorgt werden musste
–, aber man rannte nicht mehr.
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