Sonntag, 21. April 2013

VERD






Da denkt man an nichts Lautes, und dann das: Seh ich doch ein Nummernschild, auf dem VERD prangt.

Und da fällt mir unweigerlich Vera ein, eine ehemalige Kollegin in einer HHer Werbeagentur (siehe PIC, FEE, MUT und BLB). Sie galt als Faktotum aufgrund ihrer Erscheinung, ihres Aussehens und Auftretens.

Die Agentur befand sich auf zwei Ebenen. Auf der oberen Etage war das repräsentative Volk, auf der unteren Etage das arbeitende Volk. Oben gab es Parkett, unten Teppich. Oben hohe Decken, unten nicht. Auf beiden Ebenen gingen jeweils von einem 100 Meter langen Flur zahlreiche Büros ab. Alle 20, 25 Meter waren etwa 2,10 Meter hohe, stets geöffnete Brandschutztüren angebracht.

Vera war die längste Person in der Agentur – stattliche 1,96 Meter hoch. Sie hatte langes braunes Haar, eine unverschämt große Nase und ein lautes Organ. Sie trug ausschließlich Kostüme oder Kleider und Schuhe oder Stiefel mit mindestens 10 Zentimeter hohen Absätzen. Sie hatte wahrscheinlich eine größere Spannweite als Michael Jordan und einen lebhaften, markerschütternden, raumgreifenden Gang, wie man ihn sonst nur von Fohlen kennt.

Daraufhin gab die Text-Fraktion Vera einen neuen Namen und taufte sie VERD. Liebevoll Verdchen. Auch weil man sie schon hörte und wahrnahm, bevor sie einen Schritt machte. Ihr war es zu verdanken, dass in der oberen Etage das Parkett mit einem ewig langen Teppichläufer geschützt wurde, da ihr Auftreten zu laut für Kollegen und Kunden sowie nervend für die Geschäftsführer war.

Eines Tages bekam Vera einen scheinbar ungemütlichen Anruf eines Kunden. Sie tat, was sie sonst nie tat: sie rannte. Sie rannte unten den langen Flur entlang, Richtung Grafik-Atelier. Doch sie hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht – die Brandschutztür. Vera blieb mit ihrer Stirn an der Wand über der Brandschutztür für einen Augenblick kleben, bevor sie wie ein nasser Sack zu Boden ging und auf dem Rücken liegen blieb. Eine Schrecksekunde später ertönte ihr lautes Lachen. Sie war hart im Nehmen und nahm es mit Humor, band sich einen Turbanverband um wie einst Dieter Hoeneß beim legendären 4:2 im DFB-Pokal-Finale 1982 zwischen Bayern München und Nürnberg und machte weiter ihren Job.

Erinnerte mich an einen anderen Job, meine Kochausbildung. Mein erster Küchenchef faltete in meiner ersten Woche einen Commis de Cuisine mit folgenden Worten zusammen, als er ihn in den Räumlichkeiten rennen sah: „Gute Köche rennen nicht!“ Das hat sich jeder auf die Schürzen geschrieben. Fortan ging man geschwind – falls was aus den Kühlhäusern besorgt werden musste –, aber man rannte nicht mehr.

So viel Lautes zu VERD.




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen